BUND Ortsverband Hofheim am Taunus

Vom Traum einer naturnahen Beförsterung in Hofheim

FSC-zertifiziert und noch einen Schritt weiter

Eine Beförsterung, die sich ausschließlich an der Natur orientiert und den vielfältigen Aufgaben eines Waldes Rechnung trägt. Ja, unser Hofheimer Stadtwald ist FSC-Zertifiziert, das ist gut so. Aber es geht noch besser. Die Wiesbadener gehen in ihrem Stadtwald mit dem Naturlandsiegel noch einen Schritt weiter und lassen unter anderem die Bäume älter werden. Die Rückegassen-Abstände (Schneisen zur Holzernte) sind größer. Die Holzernte erfolgt bodenschonender.

Diesen behutsameren Umgang mit dem Wald wünschen wir uns natürlich auch für den Hofheimer Wald. Warum, wird schnell klar, wenn man die vielfältigen Funktionen des Waldes kennt. Denn das Ökosystem Wald ist ein Tausendsassa. Wenn man es lässt, leistet es viele kostenlose Dienste, die auch für unser (Über-) Leben wichtig sind.

GRUNDWASSER

Der Wald ist maßgeblich an der Bildung von Grundwasser beteiligt. Der Waldboden kann wie ein Schwamm das Wasser aufnehmen und speichern. Ein gesunder Waldboden speichert 50 - 200 Liter Wasser pro Quadratmeter - das entspricht bis zu zwei Millionen Liter Wasser pro Hektar Wald. Am meisten Grundwasser entsteht in Mischwäldern mit einem hohen Anteil an Laubbäumen. Waldböden wirken als natürlicher Filter für Schadstoffe und sorgen so für sauberes Trinkwasser. Ohne seine unter anderem an Wasserqualität und Speicherfunktion des Waldes ausgerichtete Bewirtschaftung würde es, wie bereits in waldarmen Regionen Südeuropas, auch in Deutschland zu Wasserknappheit kommen.

WENIG RÜCKEGASSEN

Nur durch ein geschlossenes Blätterdach bleibt der Waldboden an heißen Sommertagen deutlich kühler, trocknet nicht aus und die Bäume bekommen keinen Sonnenbrand. Darum ist es auch so wichtig, dass es so wenig Rückegassen wie möglich gibt.

HOCHWASSERSCHUTZ

Über den Rückegassen ist das Blätterdach geöffnet, und unter den Rückegassen wird durch das Befahren mit schweren Ernte- und Rückemaschinen der Boden verdichtet. Fehlen die feinen Poren im Waldboden, ist die Schwammwirkung für immer dahin, das Regenwasser fließt ab und füllt die Flüsse. Also auch zum Hochwasserschutz leistet der Wald einen wichtigen Beitrag.

BIOLOGISCHE VIELFALT

Die biologische Vielfalt des Waldes hängt von seiner Naturnähe ab und ist desto höher, je natürlicher seine Zusammensetzung ist. Der Wald beherbergt bis zu 80 % aller an Land vorkommenden Arten, die für unser gesamtes Ökosystem ungeheuer wichtig sind.

ERHOLUNG FÜR DEN MENSCHEN

Die vielen Waldbesucher beweisen den Freizeitwert des Waldes, egal ob zum Sport, zum Pilze sammeln oder einfach nur zur Erholung. Der Hofheimer Wald ist ein ausgewiesener Erholungswald, der von Bürgern durch seine Wohnortnähe gerne genutzt wird.

HOLZPRODUZENT

Und nicht zuletzt ist der Wald ein Holzproduzent, dessen Produkte für Papier, Möbel, Bauholz und zur Energiegewinnung genutzt werden und zur Wirtschaftlichkeit beiträgt.

 

Der Klimawandel bedroht uns alle. Für das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, spielt der Wald dabei eine herausragende Rolle.

KOHLENSTOFFSPEICHER

Der Wald ist ein Kohlenstoffspeicher. Ein Baum bindet ca. 1 Tonne CO2 (Kohlenstoffdioxid) pro Festmeter Holz, und im Bodenbereich dieses Baumes wird zusätzlich nochmal so viel CO2 gebunden.

Wie es mit der Klimaerwärmung weitergeht ist unsicher. Sicher ist, dass wir alle unseren CO2-Fußabdruck massiv verringern müssen. Noch immer wird nicht von allen Seiten erkannt, dass wir radikal umdenken und unseren Lebensstil ändern müssen. Die letzten drei trocknen Sommer sollten uns eine Warnung sein. Ganze Waldflächen sterben hektarweise ab. Und dabei haben wir noch nicht einmal die 1,5 Grad Erwärmung erreicht. Wenn wir so weiter machen, rechnen die Wissenschaftler mit einer 2,5 Grad Erwärmung bis zum Jahre 2100. Keiner weiß, aus welchen Baumarten der Wald der Zukunft bestehen könnte. Aber was wir wissen: Das wichtigste Pfund des Waldes ist der Boden. Die Humusschicht in unserem Wald ist etwa 50 bis 100 cm tief. Darin finden alle wichtigen Prozesse statt. In einer Handvoll Boden gibt es mehr Lebewesen, als es Menschen auf der Erde gibt. Pilze gehen mit den Bäumen eine Symbiose ein. Bakterien, Pilze, Gliederfüßler, Würmer und andere Lebewesen zersetzen Blätter und Totholz und halten den Kohlenstoff im Boden (Kohlenstoffsenke). Die Humusschicht wächst und bindet noch mehr Kohlenstoff im Boden. Das alles funktioniert nur in intakten und unverdichteten Böden. Bodenkundler sagen, es benötige zum Aufbrechen von verdichteten Böden erst wieder eine Eiszeit. Diese Schäden sind also irreversibel. Derzeit nimmt die Speicherung von CO2 in Wäldern und im Agrarbereich nicht zu, sondern sogar ab.

Wir alle wissen nicht, ob wir den Klimawandel wieder stoppen können oder ob wir uns weiter einheizen werden. Aber wir wissen um die Wichtigkeit guter Böden in Landwirtschaft und Wald. Daraus erwächst eine besondere Verantwortung für Erhalt und Verbesserung unserer Böden. Böden sind eben nicht einfach nur Dreck unter unseren Füßen.

Auf der Klimakonferenz in Ägypten (COP27) hat sich die EU auf rechtsverbindliche höhere Verpflichtungen zur Speicherung von Treibhausgasen bei der Landnutzung geeinigt und zeigt damit mehr Ambition beim Klimaschutz:

„Die neue LULUCF-Verordnung (LULUCF steht für: land use, land use change and forestry) regelt die Einspeicherung von COim Boden und in Wäldern. Die Verhandlungsteams von Europaparlament, EU-Mitgliedsstaaten und EU-Kommission im Trilog haben sich darauf geeinigt, bis 2030 310 Millionen Tonnen CO2 in Böden und Wäldern zu binden.“ (Presseinfo des EU-Parlaments)

Sven Giegold (Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz) ist sicher: „Damit wird überall in Europa die Waldnutzung natürlicher, mehr Humus wird auf landwirtschaftlichen Flächen im Boden bleiben und Moore werden nasser bleiben. Damit nützt Klimaschutz auch naturnäherer Landwirtschaft und dem Naturschutz! Europaweit wird damit kontrolliert, dass Moore und Feuchtgrünland unter dem Strich nicht mehr trockengelegt werden und Wälder über ältere Bäume mehr CO2 speichern. Genauso wird überwacht, dass die Agrarflächen in Zukunft CO2 über Humusbildung speichern.“

Vielleicht wird unser Traum Wirklichkeit. Die Bedeutung der Wälder als Kohlenstoffspeicher wird mit dieser rechtsverbindlichen Verpflichtung der EU anerkannt. Unser Handeln muss sich nun danach richten - am besten sofort!

Auch Hofheim als Waldbesitzer von über 1.400 Hektar Wald tut gut daran, seinen Wald älter werden zu lassen und ihn bodenschonender und naturnäher zu beförstern. Für unser aller Zukunft, gerade weil sie so ungewiss ist.

Einen Schritt in die richtige Richtung Nachricht gilt es noch zu feiern. Die Stadtverordnetenversammlung hat im Dezember 2022 einstimmig beschlossen, die für den hessischen Staatswald geltenden Naturschutzleitlinien 2022, auch für den Hofheimer Wald zu übernehmen. Was das bedeutet? Mehr dazu im nächsten Bericht.